Im Jahr 2017 war die Mongolei eigentlich bereits zahlungsunfähig. Abgewendet wurde eine echte Staatspleite nur durch ein mehr als 5 Mrd. US-$ schweres Rettungspaket, welches der IWF zusammenstellte. Außer der Washingtoner Institution selbst trugen China und Japan dazu bei, dass die Mongolei ihren Zahlungsverpflichtungen an ausländische Gläubiger auch 2018 noch nachkommen konnte.
Beigetragen zu der Krise des Jahres 2017 hatte neben einer zu lockeren Ausgabenpolitik der mongolischen Regierung vor allem der Verfall der Weltmarktpreise für die Hauptexportgüter Kohle, Gold und Kupfer. Bereits vor der Bereitstellung des Rettungspakets betrugen die öffentlichen Schulden im In- und Ausland 90% der Wirtschaftsleistung und die gesamten (privaten und öffentlichen) Auslandsschulden lagen gar bei 232%. Letzteres ist auf die besonders hohe Verschuldung des privaten Rohstoffsektors bei ausländischen Kreditgebern zurückzuführen. Aber auch der mongolische Staat hatte 2015 und 2016 für knapp zwei Milliarden US-Dollar Staatsanleihen an den internationalen Finanzmärkten platziert, um seine u.a. durch umfangreiche Subventionen für Zement und Benzin stark beanspruchten öffentlichen Haushalte zu decken. Auch die Umleitung öffentlicher Mittel in die privaten Taschen öffentlicher Bediensteter trug dazu bei, dass mehr als die Hälfte aller Exporteinnahmen 2017 bereits in die Zinsen und Rückzahlungen an ausländische Gläubiger floss.
Die Mongolei steht mit dieser bedrohlichen internationalen Entwicklung indes nicht allein. Vergleichbare Entwicklungen können in so fernen und unterschiedlichen Ländern wie Mosambik, Venezuela, Angola oder der Republik Kongo beobachtet werden: Zu Zeiten anhaltend niedriger globaler Zinssätze haben diese Länder stark in die Exploration einiger weniger exportfähiger Rohstoffe investiert oder bereits bestehende Haushaltslücken durch internationale Kreditaufnahme geschlossen. Da sie dafür Kreditzinsen oder Anleihe-Coupons (deutlich) jenseits von 5% anboten, griffen Banken und Investitionsfonds, die in den reichen Ländern kaum die Inflationsrate wieder hereinholen konnten, nur allzu bereitwillig zu.
Man kann sich die Situation solcher vom Rohstoffexport abhängiger Länder vorstellen wie eine kleine Nussschale auf dem weiten Meer, die von einem überdimensionierten Segel angetrieben wird. Solange der Wind von achtern kommt, legt das Boot ein gewaltigen Tempo vor; das heißt: die Volkswirtschaften zeigen beeindruckende Wachstumsraten. Kommt der Wind aber plötzlich von der Seite oder gar von vorn, steigen also die Zinsen, zu denen der laufende Schuldendienst refinanziert werden muss, oder fallen die Preise für die wenigen Rohstoffe, ist das Boot kaum noch zu steuern und ein Kentern wird wahrscheinlich.
In dieser Situation befand sich die Mongolei im Sommer 2017. Die Geldspritze aus Peking, Tokio und Washington konnte das kleine Boot für's erste auf Kurs halten, aber natürlich nur um den Preis weiter wachsender Schulden, denn die Rettung kam nicht als verlorener Zuschuss, sondern als relativ zinsgünstiger Kredit, der gleichwohl zurückbezahlt werden muss. Bereits 2021 kann es für die Mongolei erneut kritisch werden, wenn die 2016 platzierten Staatsanleihen erstmals zur Rückzahlung fällig werden. Angesichts des aktuellen Schuldenniveaus ist auszuschließen, dass die Mongolei zur Rückzahlung aus eigenen Kräften in der Lage sein wird. Vielmehr wird man sich dann erneut auf die Suche nach externen Rettungsfinanzierungen machen müssen.
Bedrohlich ist diese Situation aber nicht nur für das wirtschaftliche Überleben des Landes. In Mosambik hatte die Aussicht auf bis dahin völlig ungekannte Einnahmen aus der Exploration des vor der Küste liegenden Erdgases zu einer dramatischen Erosion des politischen Systems geführt: Die ehemalige Befreiungsbewegung FRELIMO, die das Land seit über dreißig Jahren regiert, ließ sich auf eine Reihe dubioser Geschäfte mit schweizerischen und russischen Banken ein, in deren Verlauf dreistellige Millionenbeträge auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Erst der IWF zog die Reißleine und schloss - zusammen mit den wichtigsten westlichen Gebern das Land von jeglicher weiteren Kreditvergabe aus.
Was kann die Mongolei tun, um eine solche fatale Entwicklung zu verhindern? Zunächst einmal kann nur die immer wieder beschworene aber nie umgesetzte Diversifizierung der mongolischen Wirtschaft einer solchen wirtschaftlichen und politischen Polarisierung den Boden entziehen. Das aber wird im besten Falle mittelfristig möglich sein. Bis dahin muss rasch eine Lösung für die existierende Überschuldung des Landes gefunden werden, bevor im Sommer 2021 erneut die Staatspleite droht.
Anders als bei vielen Ländern mit niedrige Einkommen, die in den letzten zwanzig Jahren unter den so genannten HIPC/MDRI Entschuldungsinitiativen von IWF und Weltbank weit reichend entschuldet wurden, hat die internationale Gemeinschaft zur Zeit nicht mal theoretisch eine Idee wie ein Verhandlungsprozess zwischen der Mongolei und ihren sehr unterschiedlichen Gläubigern vom IWF über die Regierungen der Nachbarländer bis hin den tausenden von über die ganze Welt verstreuten Anleihezeichnern überhaupt zu organisieren wäre.
In früheren Schuldenkrisen folgte der Umgang der Gläubiger und der Internationalen Finanzinstitutionen mehreren Schritten: Zunächst wurde der Schuldendienst an die existierenden Gläubiger - wie in der Mongolei 2017 - vorwiegend durch Gelder von IWF und Weltbank refinanziert. Dadurch verschob sich die Gläubigerstruktur von den traditionellen Gläubigern zu den internationalen Finanzinstitutionen. Dann wurde darauf beharrt, dass deren Kredite keinesfalls umgeschuldet werden dürften, da sonst kein Kreditgeber für Krisenfälle mehr zur Verfügung stünde. Dabei wurde darauf vertraut, dass die Erfüllung von Strukturanpassungsprogrammen des IWF zusammen mit einer sich wundersam verbessernden globalen Konjunktur zu einer Erholung des Schuldner führen würde. Erst als durch diesen Wunderglauben wichtige Zeit verloren gegangen und die Schulden immer weiter gewachsen waren, entschlossen sich die reichen Länder auch den Erlass der zuvor gewährten Rettungskredite zuzulassen.
2014 hatten die Entwicklungs- und Schwellenländer angesichts solcher Erfahrungen und der heraufziehenden Krise einen Versuch unternommen, in der Vollversammlung der Vereinten Nationen ein geordnetes Staateninsolvenzverfahren für solche Situationen zu entwickeln. Als neutrale Institution, die selbst weder Gläubiger noch Schuldner ist, wäre die UNO eine Basis für ein umfassendes Umschuldungsverfahren unter Einschluss aller dieser sehr unterschiedlichen Gläubiger gewesen. Fachorganisationen wie die UN Konferenz zu Handel und Entwicklung (UNCTAD) hatten dafür umfangreiche konzeptionelle Vorarbeiten geleistet.
Leider wurde 2015 der Konsultationsprozess durch den Widerstand einiger reicher Länder - darunter prominent Deutschland - gestoppt. Die Leidtragenden dieser Blockade könnten neben vielen anderen verschuldeten Staaten rund um den Globus auch die Mongol/innen werden.
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