16.11.2019

Stabilität & Transparenz - Verfassungsreform in der Mongolei

Am 14. November 2019 hat das Mongolische Parlament eine umfangreiche Reform der Verfassung von 1992 angenommen. Die politischen Verhältnisse sollen dadurch stabiler, die Gewaltenteilung klarer und mehr Transparenz in wichtigen Bereichen hergestellt werden.

Die Reform der Mongolischen Verfassung war ein zentrales Wahlversprechen der bei den Parlamentswahlen 2016 erfolgreichen Mongolischen Volkspartei. Nach einer umfangreichen Bürger_innenbeteiligung durch deliberative polling und einer <link news was-lange-waehrt-die-reform-der-mongolischen-verfassung>intensiven parlamentarischen Beratung wurde die überarbeitete Verfassung am 14. November 2019 in dritter Lesung mit der Zustimmung von 63 der 76 Parlamentsabgeordneten angenommen.

Die Gründe für die Verfassungsreform liegen in der seit der ersten demokratischen Verfassung von 1992 unklaren Gewaltenteilung. Die Mongolei ist ein Mischsystem aus Parlamentarismus und Präsidentialismus. Die Verteilung von Befugnissen und Kompetenzen zwischen Staatspräsidenten, Premierminister und Parlament hat immer wieder zu Konflikten, Blockaden und politischer Instabilität geführt. Die durchschnittliche Amtszeit mongolischer Regierungen liegt bei weniger als zwei Jahren. Darunter hat, so die verbreitete Ansicht, die nachhaltige Entwicklung des rohstoffreichen Landes gelitten. Zahlreiche Skandale und Affären haben in den letzten Jahren vermehrt Stimmen laut werden lassen, die mehr Transparenz bei politischen Parteien und eine stärkere Kontrolle der Justiz fordern.

Die beschlossenen Änderungen der Verfassung (ausführlich auf Mongolisch / auf Englisch) stärken nun die Position des von der Parlamentsmehrheit gewählten Premierministers und schwächen den direkt vom Volk gewählten Staatspräsidenten. Die Verfassungsänderungen verlangen darüber hinaus von politischen Parteien mehr Transparenz, führen zu mehr Kontrolle im Bereich der Justiz und schreiben die kommunale Selbstverwaltung fest.

Die wichtigsten Änderungen im Bereich der Gewaltenteilung:

  • Der Premierminister ernennt und entlässt künftig die Regierungsmitglieder (Art. 39.4). Bislang musste jeder einzelne Minister durch das Parlament bestätigt werden und konnte von diesem mit einfacher Mehrheit auch wieder abberufen werden. Darüber hinaus konnte der Staatspräsident ein Veto gegen die Ernennung von Ministern einlegen. Mit der nun beschlossenen Änderung entsprechen die Kompetenzen des Premierministers seiner politischen Gesamtverantwortung für das Regierungshandeln.
  • Der Premierminister kann die Verabschiedung des Haushaltes und andere politische Vorhaben nun mit einer Vertrauensfrage verbinden. Innerhalb von zehn Tagen muss eine Abstimmung stattfinden. Verliert der Premierminister die Vertrauensfrage, muss innerhalb von 30 Tagen ein neuer Premierminister gewählt werden (Art. 44.1-2).
  • Der Einfluss des Parlaments auf den Staatshaushalt wurde reduziert. Wenn der Haushaltsentwurf in die parlamentarischen Beratungen eingebracht wurde, darf das Parlament die Summe der geplanten Ausgaben bzw. das geplante Haushaltsdefizit nicht erhöhen. Innerhalb dieser Grenzen darf das Parlament Einfluss auf das Budget nehmen (Art. 25.1.7). In der Vergangenheit hatte das Mehrheitswahlrecht dazu geführt, dass Abgeordnete vorrangig darauf bedacht waren, staatliche Mittel in ihre Wahlkreise zu lenken. Dadurch entstand ein erhebliches Haushaltsdefizit und die Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsstrategien auf nationaler Ebene wurde erschwert.
  • Aufgewertet wird das Parlament durch die Möglichkeit, mit einem Viertel der Mandate Untersuchungsausschüsse einzurichten, deren Befugnisse und Struktur noch durch ein einfaches Gesetz zu bestimmen ist (Art. 28.2).
  • Es ist künftig nur noch vier Regierungsmitgliedern gestattet, zugleich über ein Abgeordnetenmandat zu verfügen (Art. 29.1). Dieser Punkt war besonders umstritten, da in dem verhältnismäßig kleinen Parlament Regierungsmitglieder mit Abgeordnetenmandat einen großen Einfluss ausüben konnten.
  • Ein Viertel der Abgeordneten darf die Absetzung des Premierministers beantragen. Darüber muss innerhalb von zehn Tagen entschieden werden. Für die Entlassung des Premierministers wird die Mehrheit der Mandate benötigt (Art. 43.1).
  • Die Amtszeit des Staatspräsidenten wird ab 2024 von vier auf sechs Jahre verlängert und das Mindestalter auf 50 Jahre erhöht. Die bisher bestehende Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl entfällt (Art. 30.2).
  • Die Kompetenzen des Staatspräsidenten werden ausschließlich über die Verfassung geregelt (Art. 33.4). 

Die wichtigsten Änderungen für politische Parteien und Wahlen:

  • Das Wahlrecht wird durch ein einfaches Gesetz geregelt, das ein Jahr vor Parlamentswahlen nicht mehr geändert werden darf (Art. 21.4). In der Vergangenheit haben wiederholt kurzfristige Wahlrechtsänderungen vor Parlamentswahlen für Rechtsunsicherheit und Instabilität gesorgt.
  • Politische Parteien werden zu umfassender Transparenz hinsichtlich ihrer Einnahmen und Ausgaben verpflichtet. Darüber hinaus sollen weitergehende Regelungen in einem entsprechenden Gesetz erfolgen (Art. 19.3). Erwartet wird von diesem Gesetz u.a. eine verbesserte staatliche Parteienfinanzierung.
  • Ab dem Jahr 2028 ist für die Gründung einer neuen politischen Partei die Unterstützung von mindestens einem Prozent der Wahlberechtigten erforderlich (Art. 19.2). Dadurch wird die Neugründung von Parteien erheblich erschwert.

Die wichtigsten Änderungen im Bereich der Rechtsprechung:

  • Ein Justizrat wird (wieder) eingeführt, um die Unabhängigkeit der Justiz zu überwachen. In der Vergangenheit haben Justizskandale und anhaltende Gerüchte über Richterkorruption das Vertrauen der Bürger_innen in den Rechtsstaat erschüttert. Die Hälfte der 10 Mitglieder wird durch die Richterschaft gewählt, die andere Hälfte wird in einem nicht weiter bestimmten offenen Auswahlverfahren gewählt. Die Amtszeit beträgt vier Jahre und eine Wiederwahl ist nicht möglich. Die konkreten Kompetenzen und Aufgaben werden durch ein Gesetz bestimmt (Art. 49.5).
  • Ferner wird ein juristisches Disziplinarkomitee eingerichtet, das Richter_innen disziplinieren und entlassen darf. Auch hier soll ein Gesetz alles Weitere regeln (Art. 49.6).

Die wichtigsten Änderungen im Bereich Bodenschätze und kommunale Selbstverwaltung:

  • Beachtenswert sind zudem die Regelungen für die Ausbeutung der reichhaltig vorhandenen Bodenschätze. Die Verfassung sieht hierfür eine langfristige Strategie vor, die das Eigentum aller Mongolen an strategisch relevanten Bodenschätzen sicherstellt. Gewinne aus dem Rohstoffexport sollen über einen Nationalen Ressourcenfonds zur Verbesserung der Lebensbedingungen eingesetzt werden. Die Bürger_innen müssen über die Umweltauswirkungen des Rohstoffabbaus informiert werden (Art. 6.2).
  • Das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung erhält Verfassungsrang und wird durch einfache Gesetze näher bestimmt (Art. 57.2). Regionale und kommunale Einheiten dürfen im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen eigene Steuern erheben (Art. 59.2).

Die überarbeitete Verfassung soll am 25. Mai 2020 in Kraft treten. Allerdings ist ein Veto des Staatspräsidenten noch möglich. Das Parlament hat die Möglichkeit, dieses zu überstimmen.

 

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